Auch wenn es um Thomas Al Wolfson ruhig geworden zu sein scheint: Er lebt. Aber wie lange noch? Das wird vielleicht der nächste Band verraten:
Gerade als ich durch die Saloontür ins
Freie trete, kracht es. Ich spüre ein Surren neben meiner linken
Wange, irgendwo hinter mir ist ein Klirren von splitterndem Glas zu
hören. Dann ein hohes Aufkreischen. Verdammter Whiskey - ich stehe
viel zu lange reglos da, bis mir klar wird, dass mir jemand eben das
Lebenslicht auspusten wollte. Und immer noch auspusten will. Ich
greife nach meinem Colt, aber der steckt nicht in seinem Holster,
sondern hängt an einem der Waffenhaken neben der Saloontür.
Verdammter Whiskey - da ist die hölzerne, im Moment nicht mit Wasser
gefüllte, Pferdetränke vor der Veranda des Saloons, ein Stück
links von der Eingangstür, und weil mein Verstand nicht bei mir ist,
springe ich dahinter in Deckung, statt zurück in den Saloon zu
flüchten. Dabei pralle ich mit dem Gesicht gegen einen
Verandapfosten und schlage mir die Unterlippe auf. Der Geschmack von
Blut spült mir die letzten Tropfen meines letzten Drinks von der Zunge.
„Werft
mir den Colt raus!“, rufe ich in Richtung Saloontür. Darauf will
der andere wohl nicht warten. Es kracht wieder. Die Kugel
durchschlägt die Vorderwand der Pferdetränke, und weil sie danach
nicht einmal durchs Wasser muss, hat sie noch Kraft genug, sich auch
durch ihre Rückwand zu bohren und mich an der linken Schulter zu
treffen. Ich spüre schmerzhaft, wie die Kugel anprallt, aber um mir
ein Loch ins Fleisch zu machen, reicht ihre Kraft nicht mehr aus.
Ich entscheide mich trotzdem, zu
brüllen wie ein verwundeter Stier. Nur, um für faire Verhältnisse
zu sorgen: Immerhin bin ich betrunken von Whiskey, dann darf der
andere ruhig betrunken von seinem Triumph sein. Noch drei Schüsse
krachen, zwei davon durchschlagen die Tränke, eine bleibt im Holz
hängen. Nach jedem Schuss heule ich auf. Alles in allem hat mein
zweitbester Freund also fünf Mal auf mich geschossen. Die meisten
Colts lassen sich mit sechs Patronen laden. Er hat demnach wohl noch
einen Schuss, bevor er nachladen muss. Ich rutsche rückwärts zum
Saloonfenster, lasse einiges von dem Blut, das sich von der
geplatzten Lippe aus in meinem Mund gesammelt hat, über mein Kinn
laufen, und richte mich mit dem Rücken zum Fenster schwerfällig
röchelnd auf. Dabei lasse ich das Wurfmesser, das in meinem
Stiefelfutter verborgen war, in meine rechte Hand gleiten. Wenn er
ist wie die meisten Revolvermänner, dann wird er sich erst einen
Moment an meiner Angst und meinem Schmerz weiden wollen, bevor er mir
den Rest gibt.
Er soll mich nicht enttäuschen.
Langsame, im Matsch der Straße schmatzende Schritte mischen sich mit
dem leisen Klimpern von Sporen. Inzwischen haben meine Augen sich an
das Dunkel gewöhnt. Das Licht aus dem Saloonfenster tut ein übriges.
Ein hochgewachsener, hagerer Mann mit eingefallenen Wangen kommt auf
mich zu. Seine Kleidung ist die eines wohlhabenden Gentleman. Um
seinen Mund spielt ein Lächeln, in seiner linken Hand hält er einen
langläufigen Colt, ich vermute einen Peacemaker. Ich habe diesen
Mann noch nie zuvor gesehen. Aber er mich.
„Thomas Al Wolfson, nehme ich an“,
sagt er, und es soll nur halb wie eine Frage klingen. „Es ist an
der Zeit, nach Hause zu kommen.“
Niemand hier nennt mich bei diesem
Namen, ich bin Al, Al Thomas. Also haben sie doch jemanden
losgeschickt, um mich zu jagen, oder sie haben immerhin einen Preis
auf meinen Kopf gesetzt.
„Wie viel geben die Ihnen dafür?“,
röchle ich, „lassen Sie mich in Ruhe, und ich gebe Ihnen das
doppelte.“
Er weiß, dass ich bluffe. Er hat mich
im dämmrigen Saloonlicht erkannt, vielleicht beobachtet er mich seit
Tagen. Er weiß, was bei mir zu holen ist. Aber er wird mir noch
etwas Zeit geben, um mein Leben zu winseln. Und wird dabei mit jedem
Herzschlag unvorsichtiger.
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